Der Reiter auf dem weißen Pferd bringt das Gericht
über die Völker der Welt. Allerdings gehört
er nicht zu den bekannten apokalyptischen Reitern (Offb. 6,1-8),
seine Geschichte ist eigenständig.
Altes und Neues Testament
verbunden
In der biblischen Geschichte trägt der Reiter den Namen
"Das Wort Gottes" (Vers 13), der in der Plastik
durch die typisierten Umrisse von Steintafeln zu beiden Seiten
des Pferdes verbildlicht wurde (vgl. die Steintafeln des Mose
mit den Zehn Geboten). Auf der rechten Seite des Pferdes ist
die Tafel geschlossen und enthält das christliche Kreuz.
Hier sind alttestamentliche und neutestamentliche Überlieferung
miteinander verbunden.
Seitliche Elemente
"König aller Könige und Herr aller Herren"
(Vers 16) findet sich in der durchstochenen Hand und symbolisiert
den gekreuzigten Jesus. Die sie umgebende, angedeutete offene
Schrifttafel auf der linken Seite stellt ein gebogenes Lamäd
(in Form einer Schlange) dar, den zwölften Buchstaben
des hebräischen Alphabets - eine Anspielung auf die zwölf
Stämme Israels (siehe Bild im Inhaltsverzeichnis). Zum
Vergleich: Ein korrektes Lamäd ist bei der Figur "Die
Frau und der Drache" zu sehen. Sie bildet dort das Profil des Gesichts oben links am Kopf der Figur.
Der Schlangenkopf, der aus dem Kreuz an der rechten Seite
hervorschaut, symbolisiert die Greueltaten, die im Namen des
Kreuzes begangen wurden, immer noch werden und (biblisch gesehen)
bis zum Weltende weiterhin geschehen sollen. Zusätzlich
schaut in der Gestalt der Schlange die "Ursünde"
aus der Figur hervor.
Das angedeutete Ende
Die Schleife auf der Oberseite stellt ein zusammen-geschrumpeltes
Omega (O) dar, den letzten Buch-staben im griechischen Alphabet,
ein Symbol für das Ende der Welt. Es sinkt wie ein Luftballon,
den man angestochen hat, in sich zusammen, hat schon nicht mehr
seine optimale Form: Aus der freudigen Erwartung des Weltendes
wächst bei näherem Hinschauen auf den Text die Erkenntnis,
dass es vielleicht doch nicht so großartig sein könnte.
Der Reiter
Mit dem Fuß, der gleichzeitig an einem Knie und einem
Ellenbogen hängt, ist der Reiter angedeutet. Pferd und
Reiter sind in der Sache eins: Sie bringen beide gemeinsam
das Gericht über die Welt. Ohne Reiter wird das Pferd
nicht geführt und ohne Pferd kann der Reiter nicht vollbringen,
was er soll.
Da es sich nicht um ein wirkliches Pferd handelt, sondern
um ein bildliches, ist auch der Torso des Tieres dämonisch
verändert dargestellt: Ein Huf befindet sich auf dem
Rücken, der Kopf fehlt und der Hinterleib hat mit einem
Pferd nicht mehr viel zu tun. Im Maul befinden sich ausschließlich
Backenzähne, die zum Zerkleinern der Mahlzeit dienen
- ein Sinnbild für die alles zermalmende Wirkung von
Ross und Reiter.
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